Es klingelt, ich öffne die Tür und Gott kommt die Treppe hoch und in meinen Flur geschlurft! „Hey!“, rufe ich überrascht aus! Gott antwortet nicht.
„Magst du etwas trinken?“, frage ich. „Gerne einen Tee“, antwortet Gott und bleibt im Türrahmen meiner Küche stehen, während ich das Wasser aufsetze. Als es kocht nimmt Gott die Tassen, ich die Kanne und wir setzen uns an meinen Esszimmertisch.
„Und?“, frage ich. „Ach…“ murmelt Gott und winkt ab.
„Wie schmeckt ein E?“, frage ich ihn. „Knallrot, nach frischen Erdbeeren“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
„Oh, ein Fall von Synästhesie?“, frage ich. „Aber hallo“, antwortet Gott und schiebt grinsend mit Schweizer Akzent ein „Und wer hats erfunden?“ hinterher.
„Stimmt“, denke ich.
„Und ein A ist nachtblau und sinkt lautlos und leise immer tiefer und tiefer…“, erklärt Gott, breitet die Arme aus und schließt die Augen, um es zu veranschaulichen.
„Und ein i ist klein, knallgelb und hüpft wie ein Flummi!“, rufe ich aufgeregt!
„Ein X ist ganz schön sperrig! Da kommt keiner so leicht dran vorbei! Mit dem wird es nicht langweilig, das sage ich dir!“, weiß Gott zu berichten.
„Aber ein m ist sanft wir ein Lamm und ganz weich – und komischerweise grün“, wundere ich mich.
Wir schauen uns an und müssen grinsen.
Herrlich, so ein trüber Sonntagnachmittag mit Freunden.
Mir bewusst Zeit für Gott und mich nehmen, hinter die Dinge schauen, auf die leisen Töne hören, schauen, was da kommt, was in mir ist… – ohne Bewertung, ohne literarische Kunstwerke zu erwarten, einfach so.
Darum geht es bei den Schreibexerzitien, an denen ich teilnehme. Ein Experiment für mich in der Fastenzeit!
Esther
* Synästhesie ist eine Vernetzung von Sinnesreizen im Gehirn: Für manche Menschen haben Buchstaben oder Zahlen ganz bestimmte Farben. Andere Menschen verbinden Farben mit Düften oder Klänge mit Farben.