Marie konnte nicht viel. Sie konnte keinen Ball in den Korb werfen und die richtigen Wörter traf sie auch nicht. Marie konnte keinen Zopf flechten, kein Schiffchen falten und wie man ein Video aufnahm, wusste sie auch nicht. Aber eines konnte Marie: Sie konnte warten. Sie wartete am Ende der Supermarktschlange, und wenn sich einer vordrängelte, nahm sie es hin. Sie wartete, bis die Ampel auf Grün sprang und der Apfelbaum rot und schwer wurde und die Früchte fast in ihre Tasche fielen. Marie lag es fern, etwas zu erwarten, das nicht da war. Ungeduld kannte sie nicht. Sie wartete, bis die Dinge so weit waren. Milchreis brauchte 40 Minuten, ein mittelhartes Ei aber nur sechs. Doch was machte das für einen Unterschied? Milchreiszeit unterschied sich nicht von Einkaufszeit, denn jede Zeit umhüllte Marie wie eine Decke, und wenn sie gelüftet wurde, weil eine Zeit vorbei war, dann wickelte sie sich in eine andere, eine neue Zeit ein. Ein ganzes Leben hatte Marie es warm und gut, bis die Zeit endete und die Ewigkeit begann. Die Ewigkeit, entdeckte Marie, war länger als alles, eine Decke, bei der niemals die Füße hinausguckten. Dafür hatte sich das Warten wirklich gelohnt.
[Susanne Niemeyer]
Kann ich das eigentlich noch? Warten?
Wenn ich Auto fahre merke ich, wie ich häufig ungeduldig werde. Muss der jetzt so langsam abbiegen?
Warum fährt jemand mit 100 km/h auf der mittleren Spur, wenn rechts doch alles frei ist und auch kein LKW in Sicht?
Ich verstehe es nicht.
Beim Bäcker lässt sich jemand den Unterschied zwischen verschiedenen Broten erklären.
Die Schlange ist lang.
Ich habe es eilig.
Werde ungeduldig.
Aber was bringt es mir denn, wenn ich ungeduldig werde?
Eigentlich nichts. Ich bin noch nicht an der Reihe.
Ich mache mir unnötig Stress.
Warten kann aber auch etwas Schönes bedeuten.
Warten auf Dinge, die sich für mich lohnen.
Warten auf einen leckeren Kuchen, der im Ofen ist.
Warten auf den Urlaub, den man schon lange geplant hat.
Warten auf ein Wiedersehen mit Freunden, die man schon lange nicht mehr gesehen hat.
Oder Warten auf ein kleines oder ganz großes Wunder.
Freudig Erwarten.
Ist das nicht viel schöner als Stress?
Nichts Anderes tun wir im Advent. Wir warten voller Freude auf ihn, auf den es sich zu warten lohnt.
Vielleicht sollten wir mehr Aspekte vom schönen Warten mit in unsere Ungeduld nehmen. Alles hat seine Zeit und am Ende wird es gut.
Ab morgen übe ich das ein.
Mal Abwarten…
Johanna