Spuren auf der Straße.
Wer sich auf die Straße hinausbegibt, jenseits aller kirchlicher Strukturen und Gebäude, kann sie auch dort überall entdecken: Spuren des Glaubens in ihrer kompletten Vielfalt. Vielleicht kann dieses “Entdecken” auch eine Aufgabe für die Fastenzeit sein. Nicht Verzicht, sondern bewusste Wahrnehmung von uns, der Straße, der Welt.
Eine solche Spur habe ich vor ein paar Wochen an einer Häuserwand entdeckt. Dort stand mit schwarzem Edding auf die weiß verputzte Wand geschrieben: „I wonder if Heaven got a GHETTO“. Ein Mensch stellt sich möglicherweise die Frage, ob es im Himmel ein Ghetto gibt. Ohne dem Verfasser zu viel zu unterstellen, so lädt die Frage durchaus zur Auseinandersetzung ein. Ist im Himmel alles nur gut? Wird es dort keine Unterteilung zwischen Menschen im Ghetto und denen die nicht mehr dort sind geben? Oder findet dort auch eine Ghettoisierung statt?
Eine ganz eigene Auseinandersetzung fand sich unterhalb des Schriftzugs. Dort stand ebenfalls in schwarzer Schrift geschrieben: „DA Ghetto of Heaven is called HELL“. Das Ghetto des Himmels heißt Hölle. In diesem Satz steckt aus meiner Sicht eine erstaunliche Weisheit. Denn ein Ghetto ist immer auch ein Ort der Trennung und oft auch der Abgrenzung. Für die Hölle gilt, dass sie die Unterscheidung zum Himmel ist. Ein Ort, an dem immer noch Unterschiede eine Rolle spielen. Ein Ort, an dem eben nicht alles gut ist. Diesen Ort, die Hölle, muss es aus Sicht der Freiheit geben. Denn Menschen müssen sich auch gegen Gott entscheiden dürfen. Sie dürfen sich auch für das Böse entscheiden, bereits hier und wenn sie wollen auch in Ewigkeit. Ob sie es tatsächlich in Anbetracht des Himmels tun, ist eine andere Frage. Möglicherweise kann mit Blick auf den Theologen Hans Urs von Balthasar gesagt werden: Es muss die Hölle geben, aber es gibt Gründe anzunehmen, dass sie leer ist.
Max